Charmanter Provokateur
Der Architekt des Nikolaisaals, Rudy Ricciotti
In seiner Heimat ist Rudy Ricciotti zweifellos ein Star - hierzulande wird der 1952 in Algier geborene französische Architekt, der bislang vor allem durch ambitionierte, ungewöhnliche Kulturbauwerke beeindruckte, noch immer als Geheimtipp gehandelt. Das ist mehr als erstaunlich, denn spätestens seit 2006, als er in Frankreich mit dem "Grand Prix National d'Architecture" geehrt wurde, gilt Ricciotti auch in internationalen Fachkreisen als Koryphäe.
Bekannt wurde der vom südfranzösischen Bandol aus agierende Architekt 1990 mit dem "Stadium" in Vitrolles, einem auf einer Müllhalde platzierten Rockpalast. Zu seinen zahlreichen Bauten im kulturellen Sektor zählen u.a. das Museum für Gegenwartskunst in Avignon, das Aufsehen erregende neue Zentrum der Tanzcompagnie von Angelin Preljocaj in Aix-en-Provence, die Neugestaltung der Abteilung für Islamische Kunst im Pariser Louvre und das spektakuläre Museum der Kulturen des Mittelmeerraums (MuCEM) im alten Hafen von Marseille.
Eleganz, Transparenz und Leichtigkeit und ein bisweilen unorthodoxer Umgang mit Materialien und Formen zeichnen Ricciottis Bauwerke aus. Seine selbstbewussten Baukörper, die allen Erwartungen zu widersprechen scheinen, faszinieren mit gelöcherten Fassaden, aufgelösten, amorph wirkenden Wandstrukturen und einer poetischen Materialsprache. "Man muss auch manchmal provozieren, um die Leute wach zu rütteln, um neue Impulse in verkrustete Denkweisen zu geben", kommentiert der bekennende Querdenker seine kompromisslose Ästhetik. Ricciotti ist indes alles andere als ein Enfant terrible. Bei allem Bekenntnis zum strengen ("typisch französischen") Subjektivismus: seine Bauten sind vom Respekt vor der Tradition und dem Charme des Ungewohnten geprägt. Eines der Paradebeispiele dafür ist der Um- und Neubau des Potsdamer Nikolaisaals. Hier spielt der Meisterarchitekt mit verschiedenen Epochen und Stilrichtungen, begeistert mit kühnen Details (wie der wellenförmigen Decke und den sanft geschwungenen, ausgebuchteten Wänden des Konzertsaals) und raffinierten Materialkontrasten. Ganz im Sinne des großen Voltaire, mit dem einst Friedrich der Große in Potsdam einen regen philosophischen Austausch führte, will Rudy Ricciotti seine Arbeit am Nikolaisaal als einen "Ausdruck der Freiheit in einer Stadt mit freiheitlichen Traditionen" verstanden wissen.
Mehr zu Rudy Ricciotti unter:
www.rudyricciotti.com