Die "drei Leben" des Nikolaisaal Potsdam

Ein historischer Abriss

18. und 19. Jahrhundert

Die Vorgeschichte des Nikolaisaals führt zurück in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts, als der "Manufactürier" Glogger auf dem Grundstück Kleine Jägerstraße (wie die heutige Wilhelm-Staab-Straße damals hieß) / Am Stadtkanal eine Manufaktur betrieb. 1743 ging das Grundstück als Schenkung Friedrichs II. an den Schuhmachermeister Joachim Friedrich Spring. 1777 entstand nach Plänen Georg Christian Ungers an Stelle des Vorgängerbaus ein prachtvolles barockes Wohngebäude, dessen Geschichte seither viele Bewohner verzeichnen und unterschiedlich genutzt werden sollte. So entstanden etwa im 19. Jahrhundert auf dem Hof zwei Tabak-Fabrikanlagen.

1900 bis 1930

Die damals größte evangelische Gemeinde Potsdams, die St. Nikolai-Gemeinde, erwarb schließlich 1904 das Grundstück, um hier ein Gemeindezentrum zu errichten. Als Architekt wurde der Berliner Richard Herzner beauftragt, dessen Bau 1909 im Beisein der Kaiserin Auguste Viktoria von Preußen eingeweiht wurde. Noch heute sind Elemente dieses "ersten Nikolaisaals" deutlich zu erkennen: etwa der von einem Säulenportal gefasste Haupteingang mit "romanischen" Würfelkapitellen und seinem Tympanon mit dem Lamm Gottes. Im Laufe der folgenden Jahre wurde jedoch das Innere des Gemeindesaales mit seinem Tonnengewölbe und den dicken Vorhängen als zu düster und unzeitgemäß empfunden. Zudem platzte der Raum mehr und mehr aus allen Nähten, so dass Anfang der 1930er über einen Um- bzw. Neubau nachgedacht werden musste.

1930 bis 1945

Der junge Architekt Hanns Dustmann übernahm schließlich die Planungen für den "zweiten Nikolaisaal", der am 16. September 1934 eingeweiht wurde. Der neue Saal war deutlich größer als sein Vorgänger - etwa um die Hälfte länger - und verfügte an Stelle des bisherigen "romanischen" Tonnengewölbes über eine moderne Deckenkonstruktion mit zehn großen Oberlichtern. Den Abschluss bildete eine Apsis, in welche die Bühne mit einer neuen Schuke-Orgel eingeschoben war.

1945 bis 1958

1945 wurde das Gebäude durch einen Luftangriff kurz vor Kriegsende schwer beschädigt. In Zusammenarbeit mit dem Landessender Potsdam wurde der Wiederaufbau des für seine hervorragende Akustik bekannten Saales in Angriff genommen. Ab Ende 1946 diente so der Nikolaisaal nicht nur als Ersatz für die zerstörte Nikolaikirche, sondern auch als "Großer Sendesaal" des Landessenders Potsdam und somit als eine der wichtigsten Konzertstätten Potsdams. Soloabende, Orchesterkonzerte und chorsinfonische Aufführungen mit renommierten Künstlern wie Dietrich Fischer-Dieskau, Elly Ney, Wilhelm Kempff (auf dem Foto rechts zu sehen) oder Wilhelm Furtwängler (der hier 1949 ein Konzert des Berliner Philharmonischen Orchesters dirigierte) fanden seither im Nikolaisaal statt. Zudem bot das Haus Potsdamer Sängervereinigungen (wie dem Madrigalkreis Potsdam und dem Potsdamer Männerchor) gute Probenmöglichkeiten.

1958 bis 2000

Mit dem Jahr 1958 endete vorerst dieses glanzvolle Kapitel der Nikolaisaalhistorie. Das mehr und mehr verfallende Gebäude wurde auf die rein kirchliche Nutzung beschränkt. Der verwaiste Große Saal fristete seit den späten 1970er Jahren ein trauriges Dasein als Lager und Werkstatt. Mit der Einweihung der wieder aufgebauten Nikolaikirche am Alten Markt 1981 zog die Nikolaisaal-Gemeinde endgültig in ihr "Stammhaus" und überließ schließlich 1984 der Stadt Potsdam das Grundstück mit Vorderhaus, Seitengebäuden und dem Nikolaisaal. Mitte der 80er Jahre kamen erste Überlegungen seitens der Stadt für den Bau eines Konzerthauses an dieser Stelle auf, doch scheiterten diese letztlich an fehlenden Geldern. Nach der Wende ermöglichte eine großzügige finanzielle Spende aus der Partnerstadt Bonn die bauliche Sicherung, so dass zur 1000-Jahr-Feier Potsdams 1993 mehrere Baustellenkonzerte stattfinden konnten.

2000 bis heute

Mehr und mehr nahm nun die Idee, den Nikolaisaal als modernes Konzert- und Veranstaltungshaus um- und neuzubauen, konkrete Gestalt an. Mit dem am 27. August 2000 eröffneten "dritten Nikolaisaal" nach dem Entwurf des französischen Architekten Rudy Ricciotti, ist das wohl spektakulärste Kapitel dieses geschichtsträchtigen Ortes aufgeschlagen. So wie sich in dem Um- und Neubau Ricciottis verschiedene Stile zu einer großartigen Synthese verbinden, versteht sich das Konzerthaus als Ort der künstlerischen Vielfalt, der sich der Tradition ebenso bewusst stellt wie er seine Türen für den frischen Wind des Neuen offen hält.
Astrid Weidauer